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Digitale Onboardingprozesse: Die Chance aus der Krise?
In unserem heutigen #bfkmInsight geht es um die Begleitung des Onboardingprozesses der Mitarbeiter*innen eines großen Versicherers. Die Coronakrise hat die Formen des Zusammenarbeitens in dieser Firma drastisch verändert. Einerseits arbeiten die Teams verstärkt virtuell zusammen, andererseits bleiben die Kundenanliegen dieselben und der Service muss weiterhin erstklassig bleiben. Auch in Zukunft wird in dem Bereich Customer Care die Zusammenarbeit dauerhaft zu etwa 60 % virtuell bleiben. Durch diese veränderten Rahmenbedingungen ergeben sich große Veränderungen bei der Einarbeitung, Führung und Weiterbildung von Mitarbeiter*innen. Besonders wichtig war uns und der Firma dabei, die Steuerelemente der Führungskräfte an die neue Situation anzpassen.
Ein weiterer Faktor bei präsenten Onbardingprozessen ist außerdem immer das Gespräch zwischen den Einführungen. Also der Kaffe oder Tee in der Küche, die Raucherpause oder das gemeinsame Mittag im Pausenraum. Hier passieren häufig auch viele zwischenmenschliche Begegnungen, die den*die neue*n Mitarbeiter*in noch mal tiefer in den Arbeitsalltag der Firma hineinbringen. Fragen wie „Ich habe dich vorhin von X reden gehört, was ist das?“; „Hast du einen Tipp für mich, wie ich Tool Y besser nutzen kann?“ oder „Wer ist eigentlich der Ansprechpartner für Z?“ können da fallen. Diese Begegnungen bleiben beim digitalen Onboarding natürlich auf der Strecke. Uns war es daher sehr wichtig, auch diese Situationen in die Onlinewelt mit zu übertragen, damit sich neue Mitarbeiter*innen genauso wohl und aufgehoben fühlen, auch wenn sie nicht in Präsenz geschult werden. Lies selbst, wie die bfkm I Die Trainingscompany bei dieser besonderen Herausforderung vorgegangen ist!
Lieber Martin, du begleitest das Projekt seit 2019. Das war bestimmt spannend, da das ursprüngliche Konzept durch die Coronakrise bestimmt etwas durcheinander gewirbelt wurde, oder?
Ja, ursprünglich wollten wir mit einer Coachausbildung für die Teamleiter*innen beginnen. Doch dann kam Corona und die Erkennsnis: „Oh Gott, wir sind ja alle im Homeoffice und wir stellen trotzdem neue Mitarbeiter*innen ein. Wie können wir die gute Qualität des Onboardings, der Einarbeitung und der fachlichen Einweisung auch Online sicher stellen?“
Hier wollten sie sich gezielt unterstützen lassen. Daher haben wir zunächst den Einarbeitungsprozess analysiert und so gestrickt, dass er auch digital funktioniert. Dabei standen solche Fragen im Mittelpunkt wie:
- Wo braucht es Berührungspunkte mit den neuen Mitarbeiter*innen.
- Welche neue Formen von Meetings braucht es?
- Wo und wieviel können die Mitarbeiter*innen selber lernen?
- Was sind dafür geeignete Einheiten?
- Wieviel Stunden können maximal am Stück geschult werden?
- Wie können wir die Erkenntnisse aus der Lernpsychologie auf den Arbeitsalltag am Besten übertragen?
In manchen Firmen gibt es im Zusammenhang mit Onlinelernen immer noch die Vorstellung, die Mitarbeiter*innen 8 h im Selbststudium vor einen PC zu setzen. Aber wenn Lernen nachhaltig und effizient sein sollen, braucht es Formatänderungen, braucht es Kontaktpunkte. Kontaktpunkte, wo die Leute miteinander lernen können. Das haben wir in einem 1. Schrittt gemeinsam erarbeitet. Daraus entstanden ist ein wirklich schöner, motivierender und gut funktionierender Einarbeitungsplan für die neuen Mitarbeiter*innen.
Nachdem alle erfahren haben, wie viel Online bei einer guten Konzeption möglich ist, haben wir dan mit der Entwicklung der Führungskräfte weiter gemacht.
- Was bedeutet Führung aus der Distanz?
- Wie kann ich virtuelle Teams erfolgreich Führen?
- Wie gelingt es mir, den Teamspirit aufrecht zu erhalten, wenn ich meine Mitarbeiter*innen ein halbes Jahr lang nicht sehe?
- Welche Formate haben sich beim Onboarding bewährt?
Nicht immer kann man das, was lernpsychologisch am wirkungsvollsten ist, 1:1 in die Praxis umsetzen. In einem 8-Stunden Tag kann ein Input nicht länger als 3 Stunden erfolgen. Den Rest der Zeit brauche ich für Austausch und Reflexion. Gerade für Mitarbeiter*innen, die neu sind, haben sich 1,5 h Blöcke bewährt. Danach brauchen sie erst mal eine Pause und einen Methoden- und Formatwechsel.
Und was heißt hier Formatwechsel konkret?
Nach einem klassischen E-Learning von 1,5 h ist es gut, mit den Teilnehmer*innen in einen geführten Austausch in Paaren zu gehen:
- Was sind deine Learnings aus der Lession?
- Was nimmst du mit in deinen Arbeitsalltag?
- Was willst du zuerst umsetzen?
Da kann gerne 30-60 Minuten lang dauern. Dann könnte man weiter machen mit 1 h Selbstarbeit, um seine nächsten Schritte zu planen oder ich festige noch mal mein Wissen und Fertigkeiten in einem System, dass ich gerade gelernt und besprochen habe.
Wie ging es dann weiter?
Durch die positiven Erfahrungen hat sich die Versicherungsfirma dann an die Ausbildung und Entwicklung der Führungskräfte gemacht. Oft gibt es bei solchen Trainings den Vorbehalt, dass gerade in solchen Ausbildungen Nähe und körperliche Anwesenheit notwendig sind. Durch die Erfahrungen waren diese völlig ausgeräumt.
Und was macht ihr bei einer solchen Ausbildung für Führungskräfte genau?
Hier gab es nun ganz aktuelle Themen: Führung aus der Distanz, Selbstführung, Vertrauen. Gerade Vertrauen ist beim Führen aus der Distanz das Schlüsselthema. Simple Dinge, wie wöchentliche Meetings bewirken da viel.
Wie kann ich denn in Kontakt bleiben, ohne live in Kontakt zu sein und vor allem ohne zu kontrollieren, nach dem Motto: Hast du auch wirklich deine Arbeit gemacht? Hier helfen Meetings, wo ich wirklich nur wissen will: Wie geht es dir gerade? Durch Vertrauensaufbau kann ich als Führungskraft positiv auf die Atmosphäre im Homeoffice einwirken. Gerade bei einer Versicherungen ist das Thema Vertrauen ja von Hause aus wenig da. Dort arbeiten oft auch Menschen, die sich gerne absichern. Und da ist so etwas wie Vertrauen in das Team zu haben erst neu.
Was war bei diesem Kunden das Learning? Und was war deins?
Der Kunde konnte erfahren, dass Onlinetraining viel besser und spannender möglich ist, als sie jemals gedacht haben, egal bei welchem Thema. Für mich gab es die Überraschung, wie schwer es manchmal fällt, leichte und einfachen Onlinemodule durchzuführen. Als ob es da einen Glaubenssatz gibt: Online fühlt sich schwer an, Online bedeutet 8 h Video und Halbschlaf.
Hast du da mal ein Beispiel für uns?
Zum Beispiel nutzen wir für die Reflexion des Erlernten ABC Listen. Die Personalabteilung kannte viele dieser Methoden aus dem Präsenztraining, wäre aber nicht auf die Idee gekommen, diese auch Online zu nutzen. Als wenn es dort einen internen Schalter gibt, der beim Onlinetraining umgelegt wird.
Oft besteht auch der Wunsch, dass für viele Kreativitätstechniken bestimmte Onlinetools verwendet werden. Da gibt es wahnsinnig viele Anbieter und oft ist es für die IT gar nicht so einfach, diese in einem abgeschirmten System zu integrieren. Dabei ist es im Training ähnlich, wie bei guten Präsentationen: Genauso, wie es dafür keine animierten Powerpoints braucht, genauso wenig braucht es im Onlinetraining technische Tools. ABC Listen können sich die Teilnehmer*innen einfach mit Papier und Stift selber anfertigen. Damit habe ich ganz spielerisch einen Formwechsel ins Training eingebracht, und bringe die Teilnehmer*innen ins Tun und muss selber nichts vorbereiten.
Was war das Ergebnis für den Kunden?
Sie haben jetzt ein tolles Onboarding-System für die neuen Mitarbeiter*innen, das wirklich motiviert und sicherstellt, dass sie mit der gleichen Begeisterung im Unternehmen ankommen, wie bei den Präsenzveranstaltungen. Und dass das Thema „Wir sind jetzt Online und in Distanz“ den Schrecken verloren hat. Führung und Training laufen gut. Das ist der große Gewinn, weil aus einer Angst und Sorge ein „das macht Spaß“ geworden ist.
Wir bieten auch eine Ausbildung zum Online-Trainer an. An zwei Tagen erfährst du, wie du mit der vorhandenen Technik und passenden didaktischen Konzepten eine gute Atmosphäre für dein Online-Training schaffen kannst, aus dem deine Teilnehmer*innen motiviert herausgehen.
Bei dem Onboarding: Wie habt ihr es geschafft, eine Beziehungsebne aufzubauen mit den neuen Mitarbeiter*innen?
Um eine Beziehungsebene aufzubauen ist es ganz wichtig, dass man Onlinemeetings – natürlich mit Kamera – einplant. In diesen Meetings geht es nicht darum, den nächsten Schritte zu besprechen, sondern das sind soziale Meetings. Oder dass man große Kennenlernrunden im ersten gemeinsamen Meeting integriert und auch zwischendurch immer wieder Zeit und Raum für Persönliches geschaffen wird und das auch eingeplant wird. Was sich in Präsenz ganz automatisch als Türgespräch ergibt, ergibt sich Online leider nicht.
Daher ist unsere Empfehlung: plant euch soziale Zeit ein! Am Anfang ist das vielleicht ungewohnt, aber mit der Zeit wird das ganz selbstverständlich und leicht.
Und wie ging es jetzt beim Kunden weiter?
Die Firma hielt zuerst ein paar Workshops, um neue Teamleader*innen einzuarbeiten. Dann wurden die Teampaten zu Minicoaches ausgebildet, weil auffiel, dass die Teamleader*innen allein nicht genug Kapazitäten hatten. Durch diesen Veränderungsprozess wurde außerdem klar, dass die Kompetenzen innerhalb der neuen agilen Strukturen nicht mehr klar verteilt waren. Da gibt es einen Abteilungsleiter, Teamleiter, Teampaten und andere Rollen und die machen sich oft leider selber etwas handlungsunfähig. Sie fragen sich: Ist das jetzt meine Baustelle oder die des Anderen? Darf ich das noch?
Darauf basierend und um hier mehr Klarheit zu schaffen, wurde ein weiterer Workshop abgehalten, der diese Kompetenzen klärte: Wo ist meine Befugnis, mein Verantwortungsbereich? Wo darf ich noch agieren und wo nicht mehr?
Danke dir für das aufschlussreiche Gespräch!
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