Martin Wittig
Kontakt
2 + 9 =

Ihr Ansprechpartner:

Martin Wittig
Martin
Wittig
Tel: 0345-682 39-24

Blog

Was ist gute Führung Teil 4 – Interview mit Katrin Seidel

Eine Frage, die sich wahrscheinlich jede*r schon einmal gestellt hat, ob nun als Chef*in oder Angestellte*r: Wann ist man ein*e gute*r Anführer*in? Wann fühlt man sich gut geführt durch den*die Vorgesetzte? Solche Fragen kommen nicht nur im Arbeitskontext auf, sondern auch in Teams, Vereinen oder anderen Gruppen, die an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Daher nehmen wir in dieser vierteiligen Reihe den Begriff der Führung einmal genauer unter die Lupe. Was macht gute Führung aus? Wodurch wird das gemeinsame Arbeiten mit Kollegen und Kolleginnen oder auch Freunden und Freundinnen deutlich angenehmer und produktiver?

Dies ist Teil 4:

Interview mit Katrin Seidel, Geschäftsführerin der bfkm I Die Trainingscompany

Heute haben wir etwas ganz Besonderes für Sie. In unserer Themenreihe über gute Führung zeigen wir Ihnen heute ganz persönliche Einblicke in unseren Arbeitsalltag. Dafür haben wir Katrin Seidel interviewt. Sie ist seit 1997 Geschäftsführerin der bfkm I Die Trainingscompany – und das mit Herz und Seele. Ihre Art des Führens hat das Unternehmen geprägt und zu dem gemacht, was es heute ist. Daher geht es heute im Interview mit ihr darum, was sie als Chefin vielleicht anders macht als andere. Vielleicht ist ja auch die eine oder andere Anregung für Sie dabei!

Katrin Seidel

 

Katrin, du bist seit 1997 als Chefin aktiv, aber wie war dein Werdegang davor ? Was hat dich zur bfkm I Die Trainingscompany gebracht? Und wie wurdest du dort zur Chefin?

Ich wollte immer Lehrerin werden. Das war mein Traum. Oftmals hatte ich das Gefühl, die Welt anders wahrzunehmen. Im Kindergarten schon habe ich gemerkt, dass ich sehr sensibel bin und manche Dinge anders wahrnehme. Vieles habe ich nicht verstanden, manches erschien mir so ungerecht. Oftmals war mir die Art des Miteinanders zu viel. In der Schule verstärkte sich dieses Gefühl und ich fasste daher den Entschluss, selber als Lehrerin natürlich „alles anders zu machen“ - weniger autoritär, dafür voller Empathie und auf Augenhöhe. Ich wurde Lehrerin. Aber meine Art des Lehrens kam in der DDR leider nicht gut an. Manche meiner Methoden wurden als „unlautere Unterrichtsmethoden“ angesehen. Zeitgleich stellte die Wende meine Weichen im Leben komplett neu: mein frisch erworbener Studienabschluss wurde in diesem neuen System ungültig. Also machte ich mich auf die Suche.

Ich wusste immer, dass ich mit Menschen und deren individuellen Leben arbeiten möchten. Also führte mich mein Weg für einige Zeit in eine kirchliche Einrichtung für körperlich und geistig beeinträchtigte Kinder in Potsdam – eine wundervolle prägende Erfahrung in meinem Leben, die mich Demut lehrte.

Einige Jahre später zog ich nach Halle, um Sprechwissenschaften zu studieren und landete dann über einige Umwege 1996 als Trainerin bei der bfkm I Die Trainingscompany, die zu diesem Zeitpunkt seit 4 Jahren existierte.

Im Jahr darauf folgten innerhalb des Unternehmens große Umstrukturierungen und ich bekam die wundervolle Chance in das Unternehmen einzusteigen. Mit 28 war ich also relativ plötzlich Geschäftsführerin. Wir bauten das Unternehmen gemeinsam auf und machten es im Grunde zu dem, was es heute ist. Seit 2016 bin ich jetzt alleinige Geschäftsführerin und fühle mich sehr wohl mit dem großen Netzwerk an Trainern und Trainerinnen, dem Angebot an Trainings und all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns begleiteten und es immer noch tun. Und natürlich hat sich seit 2016 hier auch noch einmal vieles verändert.

 

Wie würdest du deine Art zu führen beschreiben?

Die hat sich auf jeden Fall in all den Jahren sehr gewandelt. Was aber immer erhalten blieb, ist mein Grundideal, dass ich schon damals als Lehrerin verkörpern wollte: Auf Augenhöhe und stets wertschätzend auf Andere zuzugehen, ob nun Schüler*innen, Freund*innen oder eben Mitarbeiter*innen. Ich fand es immer großartig, wenn ein*e Chef*in so agierte und einen nicht anwies, etwas zu tun, sondern ermunterte, Dinge selbst zu schaffen und mutig zu sein. In einem Nebenjob im Pflegeheim während meines Studiums habe ich das das erste Mal so erleben können und ich war ganz begeistert, dass Führen wirklich in der Praxis auch anders geht. Das war dann mein Vorbild.

Meine Art zu Führen kam jedoch nicht immer gut an. Viele Außenstehenden sagten Sachen wie „Du wirst niemals erfolgreich damit, träum weiter!“ „Das kann nicht funktionieren.“ „Kontrolle ist die höchste Form des Lobes.“ Auch ich selbst fand in mir manchmal Gedanken, Glaubenssätze oder Einstellungen, die mich anfangs davon abhielten nach meinem Ideal zu handeln. Ich spürte, wie ich eine feste Rollenbeschreibung einer „klassischen“ Chefin im Kopf hatte und sobald ich nicht danach handelte, fühlte ich mich unwohl. So war mein Weg als Chefin, wie so vieles im Leben, eine Wellenbewegung – mal folgte ich mir ganz und mal versuchte ich zu tun, was scheinbar von mir erwartet wurde. Mal ging es Berg auf und mal Berg ab. Ich habe sehr viel dazugelernt und auch sehr viel über mich gelernt. Da waren so viele Stolpersteine auf meinem Weg und unangenehme Themen, denen ich mich gestellt habe und es bis heue tue.

Mein wichtigsten Learnings aber waren, dass ich für mich und das Unternehmen einstehen darf, das nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen ist und ich daher auch schwierige Situationen meistern muss. Gleichzeitig lernte ich, wo meine Grenzen sind und wie ich diese klar kommunizieren kann. Ich durfte jeden Tag üben und so konnte ich nach und nach meine Rolle als Chefin und meine Ideale vereinen.

 

Weißt du, was deine Mitarbeiter*innen über deine Führung sagen?

Ich habe mal gefragt und die allgemeine Meinung war, dass ich sehr wertschätzend, stärkend und kooperativ führe. Ich gebe jedem seinen Raum und sage klar, aber scheinbar irgendwie sanft, was ich möchte. Natürlich gab es aber auch Mitarbeiter*innen, die damit nicht klarkamen, wie ich führe. Warum auch immer: nicht jeder liebt Eigenverantwortung und braucht eher ganz klare Strukturen, Regeln und Hierarchien. So arbeiten wir aber hier nicht. Jede*r hat sein Projekt und kann innerhalb dessen frei Entscheidungen treffen. Gleichzeitig achten wir darauf, dass jede*r einmal im Jahr ein Training oder Coaching, ob nun von uns oder einem anderen Anbieter, zur persönlichen Entwicklung durchläuft. So reflektiert jede*r sich und ist in steter eigenverantwortlicher Weiterentwicklung, die unglaublich wichtig ist. Für mich ist das selbstverständlich, denn wie könnten wir sonst unsere Training, Coachings, Treats und Retreats anbieten, ohne selber zu wissen und zu erleben, wie persönliche Weiterentwicklung funktioniert. „Be what you teach“ ist unser Motto. Ich finde auch, und das ist jetzt eine persönliche These von mir: Wer nicht mit sich selbst im Austausch ist, sich reflektiert und so nicht in seiner Kraft ist, der kann auch nur in festen Strukturen arbeiten. Wer sich persönlich weiterentwickelt, arbeitet selbstständiger.

 

Bei einer solch anderen Herangehensweise der Mitarbeiter*innenführung, dauert dann euer Bewerbungsprozess auch länger?

Das ist interessant, dass du das ansprichst. Viel aktiv suchen wir gar nicht nach neuen Mitarbeiter*innen. Die Menschen kommen eher zu uns, weil sie Lust auf das Team und unsere Kultur haben oder unsere Mission gut finden. Sie bewerben sich nicht auf eine fixe Stelle, sondern fragen, wie sie sich mit ihren Fähigkeiten bei der bfkm I Die Trainingscompany einbringen können. Dann spreche ich auch nicht allein mit ihnen, sondern wir sitzen dann meist zu dritt oder viert im „Bewerbungsgespräch“.

Führung_Katrin_Seidel

 

Kommen wir jetzt noch mal zum Führen an sich. Was denkst du, welcher Führungsstil würde deinen am besten beschreiben?

Da das ja, wie bei allen Menschen, eher ein Mix ist, würde ich sagen, es sind Transformational, Authentisch und Partizipativ. Also ich versuche so ehrlich und authentisch wie mir möglich zu sein, um so mit meinen Mitarbeiter*innen auf einer verbundenen Ebene zu agieren. Mein Ideal von damals lebe ich in der Firma und ich selbst liebe persönliche Weiterentwicklung und Selbstreflexion. Jede*r hier hat viel Verantwortung und ich beziehe jede*n ein, wenn es um eine Entscheidung in dem jeweiligen Bereich geht oder seine oder ihre Expertise gefragt ist. Alles in allem formuliere ich ein Ziel und den groben Rahmen dahin, aber bei mir gibt es keine starren Wege, die dorthin führen. Ich sehe mich also mehr als Orientierungsgeber, weniger als Zugpferd.

 

Es ist natürlich nie alles perfekt. Wo siehst du noch Verbesserungsbedarf?

Ich würde gern, wenn ich Konflikte oder manchmal auch nur eine Spannung wahrnehme, schneller dazu etwas sagen bzw. diese ansprechen. Momentan ist es so, dass ich so etwas oft erst ein paar Tage brodeln lasse, auch, und da zeige ich mich wahrhaftig, mit dem heimlichen Wunsch, dass diese von alleine wieder gelöst werden. Natürlich funktioniert das meist nicht und ich merke rückblickend immer, wie solche Situationen eigentlich ganz einfach geregelt werden, sobald ich sie anspreche. Ich darf hier also aktiver werden und mehr Vertrauen in mich selbst üben, Konflikte, ob nun bei mir oder unter meinen Mitarbeiter*innen, eher anzusprechen. Außerdem kann ich manchmal noch klarer formulieren, was ich konkret von meinen Mitarbeiter*innen erwarte oder möchte.

 

Auf welche Art hast du dich als Führungskraft bereits selbst persönlich weiterentwickelt?

Ich habe gelernt, dass ich stets in mich selbst hineinhören muss, um wahrzunehmen, was da gerade in mir vorgeht und was das für Konsequenzen nach sich zieht, wenn ich etwas tue oder nicht tue, in meiner Kraft oder nicht in meiner Kraft bin. Ich habe erkannt, dass ich früher oft eine Art „Kostüm“ anhatte und mich damit unwohl in der Rolle als Chefin gefühlt habe. Es war für mich also wichtig herauszufinden, warum ich mich so fühlte, was ich wie eigentlich möchte und was ich anders machen kann, um meinen Weg zu gehen. Ein wichtiges Learning für mich war auch, dass ich ehrlicher, wahrhaftiger geworden bin - mit mir selbst und mit anderen. Ich habe gemerkt, wovor ich mich drücke und habe diese Ängste und Stolpersteine zu großen Teilen überwunden. Und ich durfte erfahren, dass ich manche Dinge einfach auch nicht können muss, nur weil ich Chefin bin.

 

Welche konkreten Verbesserungen habt ihr in den letzten Jahren in der Firma eingeführt? Wie haben sie geholfen?

Wir gehen zweimal im Jahr in Klausur. Im Sommer ist Zeit, den Status-Quo der Firma zu erfragen und zu schauen, was wir im kommenden Jahr gemeinsam bewahren, erschaffen und loslassen möchten. Die Klausur im Januar zieht eine Zwischenbilanz. Hier geht es darum, sich selbst, ganz persönlich, wieder auszurichten und diese Ausrichtung in einem eigenen Vision-Board festzuhalten.

Außerdem gibt es die Idee des Monats, bei der jede*r jeden Monat eine Idee zur Verbesserung innerhalb der Firma einbringt. Das fördert die Eigenverantwortung, gerade auch deshalb, weil die beste Idee dann direkt von der Person umgesetzt wird, die sie eingebracht hat. So ist auch jede*r hier an den Veränderungen und der Weiterentwicklung der Firma beteiligt.

Dazu kommen einige Teamevents, wie Paddeln, Essen gehen oder ein Escape Room.

Bewährt haben sich auch die 5 Minuten Stille vor jedem Meeting. So sammelt sich ein jede*r noch einmal, kommt an und kann sich auf das Anstehende mit mehr Fokus einlassen. Unsere Meetings werden abwechselnd von jedem*r mal moderiert und haben eine ganz klare Struktur. Auch das waren große Schritte, die viel Erleichterung gebracht haben.

 

bfkm | Die Trainingscompany

 

Habt ihr auch schon einmal komplett danebengegriffen und etwas verworfen?

Klar! Die Idee des Monats ging anfangs ein wenig in die „falsche“ Richtung. Da wurden viele Ideen eingebracht, die mehr so Wohlfühl-Ideen waren, also beispielsweise eine neue Kaffeemaschine oder ein Wasserspender für die Küche. Ich wollte grundsätzlich aber gern mehr in die organisatorische Richtung gehen, damit wir in Abläufen, Prozessen und Strukturen Erleichterung haben oder mehr ein Kundenmagnet werden. Nach ein paar Monaten und mehr Klarheit wurde es immer besser.

Manchmal entstehen auf Klausuren auch wirklich coole Verbesserungsvorschläge, die dann auch anfangs mit sehr viel Energie angegangen werden und dann ebbt die Begeisterung ab. Wenn nach 4 Monaten dann immer noch nichts Neues passiert ist, muss neu evaluiert werden.

Aber wirklich große Griffe ins Klo hatten wir tatsächlich nicht oder wir haben vielleicht auch aus denen etwas gemacht.

 

Abschließend noch eine für mich sehr wichtige Frage, auch für die Leser da draußen: Was möchtest du jungen Führungskräften mit auf den Weg geben?

Nehmt euch Zeit, euch Gedanken über „Führung“ und „Leadership“ zu machen! Was denkt ihr darüber? Was habt ihr darüber gelernt, was wurde euch vorgelebt? Und wie wollt IHR sie leben? Geht in den Diskurs mit euch und anderen, das darf alles erst entstehen!

Seit außerdem mutig, um euch von Glaubenssätzen, Bildern oder Erwartungen im Innen und Außen freizumachen. Ich weiß, dass jeder ein ganz bestimmtes Bild im Kopf hat, was Führung bedeutet, aber hinterfragt das doch einfach mal. Erkennt euch selbst und werft gern auch einfach mal was über Bord, das ist überhaupt nicht schlimm!

Vertraut euch selber und erlaubt euch, zu lernen. Fehler sind etwas ganz Normales beim Lernen, denn niemand lernt ohne Fehler zu machen. Kein*e Chef*in fällt einfach so vom Himmel, ist da und ist perfekt. Perfekt ist ohnehin eine Illusion.

Früher war die persönliche Weiterentwicklung von Führungskräften ein „KANN“. Zukünftig führt meiner Meinung nach kein Weg daran vorbei.

Ich habe vor, im nächsten Jahr eine Art Forum für Führungskräfte zu etablieren, wo sich diese einmal die Woche für eine halbe Stunde treffen können und zusammen zu bestimmten Themen in den Diskurs gehen, Anregungen für Herausforderungen bekommen und sich auch ihre Erfolge bewusst machen. Ich hoffe, dass damit dieser Prozess des Reflektierens gestartet wird und die Scheuklappen, die wir einfach im alltäglichen Tun alle irgendwie mehr oder weniger tragen, immer wieder abgelegt werden können. Im besten Fall finden die Führungskräfte im Austausch mit Gleichgesinnten dann den Mut, neuen Ideen Raum zu geben und wieder mehr in ihrer Kraft handeln zu können.

 

Das klingt wirklich spannend. Sobald hier ein genauerer Plan steht, finden Sie dazu natürlich mehr Informationen auf unserer Website.
Danke dir Katrin!

Autorin Lisa Tschierschke

 

;