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Achtsamkeit im Arbeitsalltag: Wie Achtsamkeit im Job etabliert werden kann

Achtsamkeit im Unternehmen führt zu weniger Fehlern, erhöhter Kreativität und größerer Zufriedenheit. Doch wie kann Mindfulness im Unternehmen integriert werden?

In unserem #bfkmInsight geht es genau darum. Wir sprechen mit unserer Trainerin Pia-Marie Wartmann, die mit uns das 9-wöchige Online-Trainingsprogramm "Ausbalanciert im Arbeitsalltag" umgesetzt hat.

Pia Marie lachend im Interview

 

Liebe Pia, bevor wir über das aktuelle Projekt sprechen. Welchen Vorbehalten begegnest du gerade in Unternehmen beim Thema Achtsamkeit?

Eigentlich ist es in Unternehmen genauso wie im Privaten: Begegnet manchen Menschen etwas Neues und Unbekanntes, dann sind sie erst einmal skeptisch und lassen es nicht an sich ran. Immerhin haben sie ja weder in der Schule noch im Studium etwas davon gehört, warum soll das denn dann überhaupt was bringen? Und auch wenn allgemein bekannt ist, dass Achtsamkeit vor Stress und Überforderung schützt, besteht gerade bei naturwissenschaftlichen Menschen eine große Skepsis gegenüber solchen Methoden.

Was sind das für Vorbehalte?

„Achtsamkeitstraining passt nicht in unsere Branche.“

Gerade Ingenieur:innen oder Vertriebsmitarbeiter:innen sind davon überzeugt. Immerhin geht es in ihrem Job um harte Zahlen und Fakten und um die Optimierung von Prozessen, Strukturen oder Systemen. Da soll Platz sein für Meditation und Atemübungen?

Und, was sagst du dazu?

Genau da gehören sie hin! Denn Achtsamkeitsübungen ersetzen ja keine erfolgreichen Prozesse, sondern führen zu mehr Klarheit und Aufmerksamkeit. Strukturen werden klarer wahrgenommen, Fehler schneller entdeckt. Damit gehen Achtsamkeit und Prozessoptimierung Hand in Hand.

Und was ist auf Platz 2 der Vorbehalte?

„Achtsamkeit ist uns zu esoterisch und buddhistisch.“

Viele Methoden wurden vielleicht im Buddhismus entwickelt. Ihre positive Wirkung lässt sich heute leicht mit neurowissenschaftlichen und bildgebenden Verfahren nachweisen. Im Leistungssport und bei Unternehmen wie Google, Siemens oder RWE sind sie schon lange Bestandteil der Unternehmenskultur.  Sie haben erkannt, dass Achtsamkeitstraining Burnout und psychischen Erkrankungen vorbeugt.

Aber auch Führungskräfte und Mitarbeiter:innen, die nicht vom Burnout bedroht sind, profitieren von Achtsamkeitsmethoden: Sie machen weniger Fehler, sind kreativer und zufriedener.

Ok, dann lass uns mal über unser heutiges Trainingsprogramm sprechen. Für wen war es und was war die Ausgangssituation in diesem Unternehmen?

Heute geht es um ein Programm für ein internationales Gesundheitsunternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen. Diese arbeiten alle sehr dezentral und autark, und haben – wie das im medizinischen Bereich oft üblich ist – sehr standardisierte Arbeitsabläufe, die gerade zur Qualitätssicherung auch notwendig sind.

Die Personalabteilung wollte gern etwas tun, um die Resilienz der Mitarbeiter:innen zu erhöhen und dass wirklich jede:r Mitarbeiter:in in der Fläche lernt, mit dem Stress im Arbeitsalltag besser umzugehen. Ziel war es, dass stressbedingte Krankheiten und Ausfälle verringert werden und dass das allgemeine Wohlbefinden gestärkt wird.

Krankenschwester mit Herz

1.000 Mitarbeiter:innen und dezentral – das klingt für eine Schulung sehr herausfordernd. Wie seid ihr vorgegangen?

Weiterbildung muss Spaß machen und über ein punktuelles Training hinausgehen. So werden nachhaltige Veränderungen erreicht. Daher haben wir ein Trainingsprogramm mit einer Gesamtdauern von neun Wochen entwickelt, in dem sich die Mitarbeiter:innen  intensiv und vor allem alltagsbegleitend mit dem Thema auseinandersetzen. Nur so kann wirklich Resilienz aufgebaut und ein veränderter Umgang mit den täglichen Herausforderungen erzielt werden.

Viele Mitarbeiter:innen hatten sich noch nie mit dem Thema „Umgang mit Stress“ beschäftigt – daher haben wir im 1. Schritt die grundlegenden Zusammenhänge mit einem Video vermittelt. Das kam sehr gut bei allen an und öffnete sie vor allem für dieses Thema. Wir hatten dadurch wesentlich mehr Zeit für Austausch und Übungen.

Trainingsprogramm Achtsamkeit im Arbeitsalltag

Im 2. Schritt haben gab es ein Trainingsauftakt (online), der sehr dankbar aufgenommen wurde. Neben den Inhalten waren hier der Austausch der Kolleg:innen untereinander sehr wertvoll.

Im Anschluss an diesen Workshop gab es dann im 3. Schritt für alle eine 8-wöchige MBSR Übungsreihe. MBSR bedeutet Mindfulness-Based Stress Reduction. Jede Woche haben wir dort verschiedene Entspannunstechniken gemeinsam geübt und im Anschluss konnte jeder noch seine Fragen loswerden. Für die, die nicht dabei sein konnten, wurde diese Trainingsstunde aufgezeichnet.

Am Ende des Programms gab es noch einmal einen Abschlussworkshop, wo wir noch einmal Hemmnisse und Stolpersteine aus dem Weg räumen konnten und Erfahrungen austauschten.

Begleitet haben wir diese lange Praxisphase mit einem Forum, wo jede:r spontan auch seine Probleme oder Fragen loswerden konnte.

Was hat dich in dem Programm überrascht?

Als erstes die breite Akzeptanz in der Belegschaft. Das lag zum einen an dem Film und dem vorgeschalteten Stresstest. Der Film hat wirklich sehr viel bewirkt. Dadurch war das Bewusstsein bei allen da und vor allem die Offenheit für das Thema. Und als zweites die persönlichen Erfolge, die mir im Abschlussworkshop erzählt wurden.

Da war ein Mitarbeiter,  der endlich wieder gut schlafen konnte, weil er sich jetzt die Zeit nimmt, abends eine Übung aus dem Methodenkoffer zu machen.

Durch den Austausch mit den Kolleg:innen hat er außerdem dafür gesorgt, dass in ihrem MS Teams die Atemübungen für jeden zur Verfügung stehen.

Eine Mitarbeiterin war morgens immer so angespannt, dass sie Halsschmerzen hatte. Diese sind völlig verschwunden. Sie erklärt sich das mit der Achtsamkeit, mit der sie ruhiger und entspannter mit dem Stress im Alltag umgeht. Das hat mich wirklich riesig gefreut.

Solche Geschichten sind ja wirklich wundervoll.

Ja, und das Tolle daran ist, davon gab es ganz viele. Zwei davon möchte ich noch erzählen:

Eine Teilnehmerin sagte: „Ich habe in diesen 9 Wochen gelernt, dass ich mich wirklich mit mir selber beschäftigen muss, um überhaupt eine Veränderung herbeizuführen. Und dass ich mir jetzt die Zeit nehme, weil sich sonst nichts ändert. Allein für dieses Bewusstsein, dafür bin ich sehr, sehr dankbar.“ Und das hat mich wirklich berührt, muss ich sagen, weil das der allererste Schritt ist. Und sie sagt, „Auf einer Skala von 1 bis 10 bin ich immer noch auf einer 7, aber ich weiß, dass ich in kleinen Schritten immer weiter gehen kann.“

Was war ihre Lieblingsübung?

Was ihr am meisten gut getan hat war eine Yogaübung, die sie in ihren Alltag integriert hat. Sie steht jetzt viel öfter in ihren Bildschirmpausen kurz auf und macht eine von den Yoga Stretch Übungen. Das tut ihr extrem gut.

Und als letztes gab es für mich noch ein besonderes Gänsehauterlebnis:

„Für mich war der Kurs die Erinnerung daran, loszulassen. Ich nutze die Übungen ganz intuitiv, um raus aus diesem Hamsterrad im Kopf zu kommen."

Wow, das ist wirklich cool! Da habt ihr viel erreicht. Gerade beim medizinischen Personal, das ja immer funktionieren muss, ist das eine Leistung.

Das stimmt. Wir als Trainer:innen können manchmal gar nicht nachvollziehen, wie schwer es ist, Achtsamkeit im Alltag zu etablieren. Für mich war der Schlüssel zum Erfolg die Kleinteiligkeit des Programms. Dadurch konnte wirklich jede:r etwas für sich mitnehmen. Und wenn es nur das Durchatmen im Auto ist, nach dem Job, bevor die Kinder von der Schule abgeholt werden.

Oder das Durchbrechen dieser ungesunden „wenn – dann“ Beziehung: „Ich gehe erst dann laufen, wenn ich alles abgearbeitet habe, was ich mir vorgenommen habe.“

Nein!!! Ich merke gerade, ich bin gestresst, also tue ich jetzt gleich was dagegen! Für viele war das schon ein wahrer Meilenstein.

Wie war das Feedback der Personalverantwortlichen?

Sie freuen sich wirklich sehr, dass die Mitarbeiter:innen das so dankbar annehmen. Natürlich gab es bei einigen Teilnehmer:innen die Anfangserwartung: „Gib mir den Zauberstab oder zeig mir den Trick, damit es mir wieder gut geht.“ Es war klar, dass diese Erwartungen kommen und dass es so einen Zauberstab oder Trick nicht gibt. Das Training hat dazu beigetragen, dass der Stresslevel bei allen deutlich gesunken ist und dass ein Bewusstsein da ist, dass jeder selber etwas dafür tun kann.

Ein positiver Nebeneffekt war der Austausch unter den Kolleg:innen und die Gelegenheit, dass sich endlich auch mal Mitarbeiter:innen sehen und kennenlernen, die in einem Präsenzseminar  nie die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Ansonsten hat ihnen natürlich unsere wertschätzende und achtsame Art gefallen und dass wir keine „Ratschläge“ erteilt haben, sondern die Leute so genommen haben, wie sie sind.

Danke für das Gespräch, liebe Pia-Marie.

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Titelbild: Total Shape auf Pixabay

Bild Krankenschwester von Gerd Altmann auf Pixabay

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