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#bfkmInsight: Change positiv gestalten

In unserem #bfkmInsight geht es heute um die strategische Neuausrichtung im Vertrieb eines Energieversorgers im B2C-Geschäft. Diese haben wir als Trainingscompamy über einen Zeitraum von 2 Jahren begleitet. Von den obersten Führungsebenen bis hin zu den Mitarbeiter*innen waren wirklich alle Bereiche betroffen.

Change als Chance: Veränderung erfolgreich gestalten

Ute, du warst dort für die Schulungen und Workshops der Mitarbeiter*innen verantwortlich. Für mich ist das ja der entscheidende Bereich, weil hier sichtbar wird, was von dem Ganzen bei jedem ankommt. Das ist für mich die Quintessenz des gesamten Prozesses. Und die erste Frage, die ich an dich habe: Was genau habt ihr denn dort gemacht? Was waren Trainingsschwerpunkte?

Ich habe tatsächlich die gesamte Mitarbeiter*innen-Ebene betreut und begleitet. Das Projekt begann  mit einem Startmeeting, in dem über den geplanten Prozess informiert haben und versucht haben herauszufinden, wie die Mitarbeiter*innen die Situation finden und was sie sich wünschen. Wo liegen aus deren Sicht, die den häufigsten Kontakt zum Kunden haben, die Potenziale, um etwas zum Positiven hin zu ändern? Daraus ergab sich eine große Aufgeschlossenheit dem Projekt gegenüber.

Das war übrigens eine große Angst der Führungskräfte, dass sie die Mitarbeiter*innen nicht mitnehmen können…

Und nachdem wir von deren Blickwinkel ausgehend gemeinsam überlegt haben, was getan werden muss, um diese Veränderung in die Wege zu leiten, haben wir im Zusammenspiel mit den Maßnahmen der Führung die Mitarbeiter*innen in den Prozess involviert und vor allem motiviert, aktiv an dem Change mitzuarbeiten

Strategischen Neuausrichtung hat immer auch was mit Angst und Starre zu tun. Wie habt ihr es erreicht, dass die Mitarbeiter*innen auch wirklich Teil dieser strategischen Neuausrichtung sein konnten?

Das ist für mich der Knackpunkt eines jeden Change Prozesses: diese große Angst, die Menschen vor Veränderung spüren, ohne dass sie das so benennen würden, führt häufig dazu, dass manche tatsächlich erst mal ihre Bereiche sichern und überlegen: Was muss ich tun, damit ich hier bleiben kann.

Bei anderen führt es weniger zu existenziellen Unsicherheiten, sondern mehr zu einem Unverständnis, da aus deren Sicht doch eigentlich alles läuft und sie es nicht betrifft. Für die sind es vielleicht die Kollegen oder die anderen Abteilungen.

Und dann gibt es einen Teil, die begeistert sind, dass sich endlich etwas ändert. Die festgestellt haben, auch ‚in meiner Arbeit könnten Verbesserungen stattfinden‘ und die sich von den Strukturen und Vorgesetzten eingeengt fühlen.

Und diese Mischung muss man versuchen, zusammen zu bringen. Und das Beste, das dadurch passieren kann, ist, dass sich die Mitarbeiter*innen selbst an ihren Veränderungswillen erinnern und daran, dass sie sich hier und da etwas Neues wünschen. Und dann geht so ein Prozess los, dass Veränderungsprozesse für notwendig erachtet werden. Zuerst im Außen, im Umfeld, bei den Führungskräften, bei der Geschäftsleitung und vielleicht auch beim Kunden. Und diesen Prozess dann so weit zu führen, dass die Mitarbeiter*innen alleine auf die Idee kommen, wenn sie strategisch anders vorgehen, dann könnte das vielleicht auch für sie besser laufen.

Das ist für mich das wichtigste Instrument in Veränderungsprozessen: dass es mir als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter gelingt, für mich selbst einen Vorteil in der Veränderung zu sehen. Es ist ganz menschlich, dass wir zuerst daran denken: „Was bringt das für mich? Macht es für mich Sinn?“ Wenn für mich durch Veränderungsprozesse alles schwieriger wird, dann sind solche Veränderungsprozesse zum Scheitern verurteilt.

Bunte Pusteblumen

Ich erinnere mich, dass wir diesen Fokus wirklich auf diesen Eröffnungsworkshop gerichtet haben, um genau diese Türen zu öffnen. Um Formate zu finden, dass die Mitarbeiter*innen dieses Gefühl entwickeln: „Es bringt mir was…Ich bin Teil dieser Veränderung. Ich kann hier mit gestalten…“ Kannst du dich vielleicht noch an 1 Format erinnern, das für eine große Öffnung gesorgt hat, um diese Tür zu öffnen?

Nachdem klar war „Es muss sich etwas ändern und wir werden uns daran beteiligen.“ Haben wir den Weg gemeinsam erarbeitet in Form einer Visualisierung, dass man den Prozess  auch sehen konnte. Und was ich dabei beeindruckend fand war ein Commitment mit allen, in Form einer gemeinsamen Collage. Dort hatten alle ihre Ideen festgehalten in Form eines einzigen Wortes. Und dieses Bild haben wir dann eingerahmt und aufgehängt. Und es gab eine lange Diskussion darüber, wo dieses Bild hängen sollte. Die einen wollten es gleich in den Eingang hängen, die anderen in die Cafeteria. Es war allen sehr wichtig, dass die Ideen nicht untergehen und sozusagen als Erinnerungsanker an einer wichtigen Stelle hängen. Wie mit Qualitätsmanagementrichtlinien, die auch irgendwo an einer Stelle im Unternehmen hängen...

Ich finde es übrigens wichtig, dass man dieses Bild auch immer wieder mal umhängt, damit die Veränderung überall sichtbar wird und man es immer wieder neu wahrnimmt. Denn läuft ein Mensch 3 Monate an dem gleichen Bild vorbei, nimmt er es gar nicht mehr wahr.

Welchen Einfluss hatte das Wissen der Mitarbeiter*innen, dass die ganze Führungsebene den gleichen Weg geht. Wie hat das die Bereitschaft und den Veränderungswillen der Mitarbeiter*innen beeinflusst?

Ich glaube, es ist normal, dass wir erst mal mit dem Finger auf jemand anderes zeigen, wenn es eng wird. Und dann beginnt ein weiterer Prozess, da viele Menschen mittlerweile doch ganz gut reflektiert sind. Sie kommen dann ganz schnell wieder bei sich an und sehen, dass auch bei ihnen eine Veränderung notwendig ist. Da die Mitarbeiter*innen wahrgenommen haben, dass es wirklich alle betrifft, und es nicht darum geht, schwarze Schafe an den Pranger zu stellen. Sondern es ging auch um die oberen Führungsetagen, damit war klar, dass es ein Gesamtprozess ist. Dass es nicht darum geht: „Pass auf,  wir haben Schwierigkeiten im Kontakt mit den Kunden…Lieber Mitarbeiter,  verändere mal deine Kommunikation. Oder mach mal ein bisschen Vertrieb… Oder sei mal bisschen freundlicher und mach am Ende deines Gesprächs auch ein bisschen mehr Druck. Und dann wird alles gut.“ So funktioniert das ja nicht.

In den meisten Fällen ist es tatsächlich nicht der oder die Mitarbeiter*n, die dafür sorgen, ob eine Kundenbeziehungen gelingt oder nicht.

Sondern in den meisten Fällen ist es tatsächlich eine strategische Entscheidung, die die Mitarbeiter*innen mit einschließt.

Und wenn alle so an einem Strang ziehen und im gleichen Boot sitzen, motiviert das unheimlich.

Was war deine große Herausforderung in diesem Projekt?

Ich glaube, der größte Stolperstein war tatsächlich das Gewinnen wirklich aller Mitarbeiter*innen über alle Bereiche. Es waren wirklich alle betroffen: der Kundeservice, alle Menschen, die mit den Kunden telefonieren, die Buchhaltung... Es ging um die Ansprache im Schriftverkehr, um den Marketingbereich - neue Ideen zu entwickeln. Und es ging darum, wirklich in jedem Bereich Menschen zu finden, die das Ganze über einen längeren Zeitraum tragen und am Leben halten.

Es gibt ja viele, die reflektieren, dass Veränderungen gar nicht so schlecht sind. Und die gehen dann euphorisch aus dem Workshop,  und sitzen dann wieder an ihrem Arbeitsplatz und dann schlägt der Alltag von hinten ins Genick. Und nach 2 Wochen ist alles Schall und Rauch, weil mich der Alltag überrollt. Und das ist der größte Stolperstein: es zu schaffen, jemanden im Team zu haben, der sich immer wieder daran erinnert, der auch mal zu dir kommt und dich motiviert: „Pass mal auf, ich hab eine Idee, wollen wir das jetzt in den nächsten drei Gespräch mal ausprobieren?“

So eine Veränderung geht nicht von jetzt auf gleich. Sie braucht Zeit und Menschen, die Durchhaltevermögen besitzen und die Gabe, sich nicht vom Alltag unterkriegen zu lassen. Solche Menschen braucht es in jedem Team. Und das ist nicht immer die Führungskraft.

Es muss jemand im Team sein, der das auf ganz nette und freundliche Art und Weise immer wieder vorantreibt und motiviert. Die das lebendig halten, mit Wohlwollen, so dass Veränderung keine Last wird. Veränderung braucht immer wieder dieses Öffnen, weil ich immer wieder in die alten Muster hinein rutsche, ohne dass ich es merke. Und da braucht es wirklich Ausdauer, um in eine andere Arbeitsweise rein zu kommen. Um allen Kunden Begegnungen in einer anderen Art und Weise zu begegnen.

Old Way New Way

Ich hab noch eine Frage zum Abschluss, die ich ganz wichtig finde. Was ist denn für dich die Erkenntnis rückblickend, wo du vielleicht sagst, darauf können wir in einem nächsten Projekt noch mal ein bisschen mehr schauen. Das könnten wir was anderes probieren.

Ich finde wichtig, den Unternehmen, die so einen Change Prozess vorhaben, klar zu machen, dass  so eine Veränderung Zeit braucht. Es nützt wenig, innerhalb von 3 Monaten einen Impulsworkshop und fünf Seminare zu machen und dann sind alle ausgerichtet. Wir haben das Unternehmen in dem Prozess 2 Jahre lang begleiten dürfen. Worauf wir immer achten müssen, dass wir die Mitarbeiter*innen nicht überfordern. Dass da nicht laufend irgendwelche Veranstaltungen sind. Das sie denken: „Da muss ich hin. Aber wer macht denn jetzt meine Arbeit in der Zeit?“

Dass die Workshops so geplant werden, dass sie nicht den ganzen Tag einnehmen. Sondern dass die Mitarbeiter*innen dort Impulse kriegen oder sich gegenseitig Impulse geben. Und daran zu denken, dass das im Arbeitsprozess passiert.

Und da muss man auch nicht immer wieder beim Urschleim wie dem EISBERGMODELL anfangen. Den kennen die meisten ohnehin schon. Neben den externen Veranstaltungen gibt es ja auch immer interne Meetings und Beratungen, die diesen Change Prozess begleiten. Daher muss man sehr achtsam sein und es ist lieber über einen längeren Zeitraum strecken, auch mit Pausen dazwischen, damit die Mitarbeiter*innen mal was ausprobieren können.

Dass man sich Zeit lässt. Ein Thema, 2 Stunden, in denen wir uns zusammensetzen. Und dann Zeit haben, 1 oder 2 Wochen es in die Praxis umzusetzen. „Ich versuche jetzt am Tag zwei Gespräche mit diesem neuen Impuls zu führen.“ Dann reflektieren und erst dann einen neuen Impuls. Das ist eine Vorgehensweise, die sich vielleicht nicht immer einfach umsetzen lässt, aber ich sehe dort kaum eine andere Lösung, um wirklich stabile Veränderungen hinzu bekommen

Danke, liebe Ute für deine Zeit und das Eintauchen in unser so spannendes Projekt und ich freu mich auf das nächste Mal.

Dieses Interview können Sie hier als Video sehen

Bild "Pusteblumen" von Monsterkoi auf Pixabay; Bild Pfeile Change/Cjance von kalhh auf Pixabay

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