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Zoom Fatigue: 4 Gründe, warum Videokonferenzen mental anstrengender sind als echte Gespräche – und was wir dagegen tun können.

Seit einem Jahr ist zoomen und skypen normal geworden: manche nutzen Videokonferenzen eher sporadisch, um mit Freunden zu plaudern. Andere wiederum sind nutzen es privat und im Job ständig. Doch das soll heute gar nicht Thema sein. Egal, wie du es findest: Das häufige Zoomen oder Skypen ist für unser Gehirn wirklich anstrengend und hinterlässt Spuren!

Jeremy Bailenson (Medienpsychologe und Direktor des Virtual Human Interaction Lab (VHIL) der Stanford University) spricht von der sogenannten Zoom Fatigue 1. Das ist eine Müdigkeit und Erschöpfung, die uns droht, wenn wir viel Zeit in Videokonferenzen verbringen. Damit du schnell wieder aus der Zoom Fatigue rauskommst – oder am besten gar nicht erst hineingerätst, haben wir hier die wichtigsten Tipps für dich.

1.  Verkleinere die Ansicht oder nutze die Sprecheransicht!

Wenn sich 10 Kollegen statt in einem Raum zum Onlinemeeting verabreden, dann hat das eine ähnliche Wirkung wie diese Situation:

  • Du stehst in einem überfüllten Fahrstuhl oder einer S-Bahn.
  • Dort stehen dir 9 Menschen gegenüber.
  • Sie sind dicht zusammengedrängt und haben zu dir einen geringen, fast schon intimen Abstand.
  • Alle schauen dich frontal an und wenden den Blick die ganze Fahrt über nicht ab.

Klingt ziemlich gruselig, oder? Und genau diese Situation haben wir in jeder Videokonferenz. Und dieser Effekt verschlimmert sich noch, je größer der Bildschirm, je kleiner der Abstand zum Bildschirm und je geringer die Teilnehmerzahl ist. Große Teilnehmerzahlen können zusätzlich noch den „Stress“ vergrößern für die, die besonders viel sprechen oder nicht gern vor Anderen reden. Denn alle Teilnehmer starren einen wie gebannt an. So entsteht eine Situation der ständigen Beobachtung. Für unser Gehirn bedeutet das Stress!!!!!

Augen starren dich an

Bailenson geht davon aus, dass in einem Videocall mit 9 Teilnehmern der Blickkontakt mindestens 9 mal häufiger ist als im Face-to-Face-Meeting – gesetzt den Fall, dass dort alle Zuhörer den derzeitigen Sprecher ununterbrochen anstarren würden. Da das aber sehr unrealistisch ist, kannst du davon ausgehen, dass der Faktor 9 bei weitem nicht ausreicht.

Um dem Beobachtungsdruck zu entgehen, verkleinere hin und wieder mal das Fenster des Videocalls oder aktiviere die Sprecheransicht, damit nur der in deinen Fokus gerät, der gerade spricht.

2. Der virtuelle Spiegel: Blende dein eigenes Video für dich aus!

Standardmäßig sind Zoom und andere Plattformen so eingestellt, dass wir unser eigenes Video sehen. Wer diese Einstellung beibehält, trägt unbewusst immer einen Spiegel mit sich herum. Und wer sich selbst häufig sieht, bewertet sich auch stärker und kritischer, was Studien zeigen konnten2. Allerdings gibt es noch keine Studie, die zeigt, wie sich ein ständiger Blick in einen Spiegel über mehrere Stunden am Tag auswirkt. Bailenson geht davon aus, dass die negative Bewertung und die psychische Belastung steigen, je länger wir diesen virtuellen Spiegel vor uns hertragen.

Also: wenn du geprüft hast, dass bei deiner eigenen Ansicht Ausschnitt und Licht stimmen - blende dein eigenes Video aus (In Zoom in der Sprecheransicht: "Miniaturvideo ausblenden". Wenn du selber sprichst, pinne bzw. fixiere, wenn es geht, dein Gegenüber! Oder wechsel in die Galerieansicht, in der alle zu sehen sind.

3. Eine externe Webcam schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe

Wenn du selbst eine externe Webcam benutzt, kannst du auch mal Abstand von deinem Bildschirm nehmen und bist gleichzeitig für die Anderen groß sichtbar. Du hast auch nicht mehr das Gefühl, von allen angestarrt zu werden (siehe Punkt 1), und kannst gleichzeitig gut Blickkontakt zu ihnen aufnehmen. Mit der Zoomfunktion der Webcam können wir jederzeit wieder herauszoomen und einen größeren Bildausschnitt von uns zeigen. Dadurch sehen die Anderen mehr von unserer Gestik, von unserer gesamten Körperhaltung und unserer Kleidung. All das sind nonverbale Signale, die unserem Gegenüber Zusatzinformationen geben, was Sprache und Stimme allein nicht können.

Wenn wir gerade sprechen, können wir uns so auch freier am Platz oder sogar im Raum bewegen. Dadurch unterstreichen wir das Gesagte noch besser und können sogar Gegenstände im Raum in unsere Rede einbeziehen.

Videocall im Stehen

Sitzen wir dagegen vor der integrierten Kamera des Laptops oder des Smartphones, sehen Andere nur unsere Mimik, unsere Kopfbewegungen und kopfnahe Gesten – wenn sie Pech haben aus der Froschperspektive. Bailenson spricht hier vom nonverbalen Overload. Handzeichen müssen auf unnatürliche Weise ganz präzise und lange genug in die Kamera gehalten werden, um eindeutig erkannt zu werden und alle Gesten und Bewegungen, die unterhalb der Schultern stattfinden, bleiben verborgen. Dadurch entsteht eine simulierte Art der Kommunikation, was für alle Beteiligten eine große Herausforderung ist – für die, die sich ausdrücken und für alle, die zuschauen, zuhören und letztendlich verstehen wollen.

4. Nutzt eine externe Tastatur, bewegt euch und macht genug Pausen!

Wer im engen Sichtfeld seiner Kamera bleibt, bewegt sich automatisch viel weniger. Außerdem wollen wir ja auch schnell an die Tastatur kommen. Eine externe Tastatur schenkt uns mehr Bewegungsfreiheit. Die kannst du mittlerweile mit jedem Smartphone koppeln.

In der Zoom Konferenz wirkt vieles extrem auffällig, was im Stuhlkreis-Meeting völlig akzeptiert ist oder überhaupt nicht auffällt: Selbst, wenn du nur mal dein Glas oder deinen Kaffee auffüllen willst, musst du deinen Bildausschnitt verlassen oder du bewegst dich mehr als alle anderen.

Oder wenn wir gähnen oder uns strecken: dann sehen uns die anderen, anders als im Stuhlkreis, mit vollem Fokus. Das alles sind Gründe, warum wir schon unbewusst Bewegung vermeiden.

Vereinbart deshalb im Meeting auch kurze Webcam - Pausen, in denen ihr eure Videos ausschaltet und euch bewegen könnt. Ihr könnt euch auch gemeinsam bewegen, euch ausschütteln oder tanzen. Ein Shaking zu schneller, lauter Musik kann da Wunder bewirken. Es bringt euch vom Kopf in den Körper. Dann seid ihr auch wieder frisch, falls weitere Meetings anstehen. (Termine für ein gemeinsames Shaking findet ihr übrigens regelmäßig auf unserer Facebook-Seite.)

Lasst genug Pausen zwischen den Calls, damit ihr euch eben bewegen oder auch entspannen könnt – oder um euch anderen Aufgaben zu widmen. 15 Minuten Pause sind eine gute Wahl. Und macht bewusst eine Bildschirmpause (Smartphone inbegriffen), wenn es gleich wieder in den nächsten Call geht!

Frau lacht am Schreibtisch

Unabhängig von der Plattform: es gibt viele Online-Tools, mit denen du deine Meetings und Trainings abwechslungsreich, interaktiv und lebendig gestalten kannst.  Als Trainer:in oder Coach wirst du bestimmt schon deine Lieblingsmethoden haben, die du in deinen Präsenzveranstaltungen nutzt. Oft kannst du diese nicht 1:1 in die Onlinewelt übernehmen. Welche Methoden Online funktionieren und welche Tools dafür geeignet sind, lernst du zum Beispiel in unserer Onlinetrainer:in - Ausbildung. Diese investierte Zeit lohnt sich, denn so kannst du sicher alle Tools in deinen Trainings einsetzen und du hebst dich mit deinen Veranstaltungen positiv von langweiligen Zoomveranstaltungen ab.

Autor: Maximilian Rose

1 Bailenson, Jeremy N. (2021): Nonverbal overload: A theoretical argument for the causes of Zoom fatigue. In: Technology, Mind, and Behavior (TMB). URL: https://tmb.apaopen.org/pub/nonverbal-overload/release/1, letzter Zugriff: 12.03.2021.

2 Studien zit. nach Bailenson, Jeremy N. (2021):

Duval, S., & Wicklund, R. A. (1972). A theory of objective self awareness. Academic Press.

Fejfar, M., & Hoyle, R. (2000). Effect of private self-awareness on negative affect and self-referent attribution: A quantitative review. Personality and Social Psychology Review, 4, 132–142. URL (Abstract): https://doi.org/10.1207/S15327957PSPR0402_02

Ingram, R. E., Cruet, D., Johnson, B. R., & Wisnicki, K. S. (1988). Self-focused attention, gender, gender role, and vulnerability to negative affect. Journal of Personality and Social Psychology, 55(6), 967–978. URL (Abstract): https://doi.org/10.1037/0022-3514.55.6.967

 

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