Blog
Geschichte der Geschlechter - Teil 2: Von der Gleichberechtigung zum Patriarchat. Wie konnte das passieren?
Im ersten Teil dieses Blogs haben wir dir gezeigt, dass Geschlechtergerechtigkeit keine Erfindung des Feminismus der 1960er- und 70er-Jahre ist, sondern es bereits in der Steinzeit Frauen in wichtige Positionen gab. Sie waren in Körperbau und Kraft den Männern nicht wirklich unterlegen, wie Knochenfunde beweisen, denn damals gab es auch eine Gleichberechtigung im Zugang zu Nahrungsquellen. Aber auch Frauen, die als Sammlerinnen aktiv waren, hatten ein ebenso großes Ansehen genossen wie Jagende. Denn SammlerInnen waren, mit einem Anteil von 80% der Lebensmittel, die sie in ihre Gemeinschaft einbrachten, die absoluten Haupternährer.
Auch die späteren Wikinger kannten Frauen in Führungspositionen – als Staatslenkerinnen und Heeresführerinnen.
Doch wie kam es zu den unterschiedlichen Geschlechterrollen in der Gesellschaft und dazu, dass die Männer in nahezu allen Bereichen die Führung übernahmen, als das „starke Geschlecht“ galten und leider vielerorts immer noch gelten? Das möchten wir in diesem Blogbeitrag aufklären.
Zu diesem Thema geben wir auch spannende Impulsvorträge. Schau da gern einmal vorbei!
Schwächung des weiblichen Geschlechts und die Geburt des Patriarchats
Erst seit der Bronzezeit (in Mitteleuropa etwa zwischen 2200 und 800 v. Chr.) lassen sich körperliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern klar nachweisen – in Statur, Größe und Gewicht. Genau von dieser Zeit an können wir auch eine deutliche Geschlechtertrennung in den gesellschaftlichen Rollen beobachten. Die Männer gewannen an Macht und Ansehen, die Frauen büßten diese ein.
Wie lässt sich dieser Zusammenhang zwischen den großen Unterschieden im Körperbau und im Status erklären?
Mit der Bronzezeit änderte sich das Weltklima gravierend. Es wurde stabiler, ein jahreszeitlicher Rhythmus entstand. Das war der Hauptgrund dafür, dass die Menschen sesshaft wurden und Ackerbau und Viehzucht planmäßig betreiben konnten. Dieser Wandel wird auch als Neolithische Revolution bezeichnet. Nun standen den Menschen mehr Nahrungsressourcen planbarer zur Verfügung. Das wirkte sich vor allem auf die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern aus. Sie konnten schneller abgestillt werden. Bis dahin war eine Stillzeit von 3 bis 4 Jahren normal. Aber jetzt konnten Kinder viel eher durch tierische und pflanzliche Ersatznahrung (besonders Milch und Getreide) versorgt werden. Das machte die Mütter schneller wieder fruchtbar. So stieg die Geburtenrate pro Familie erheblich an.
Die Zunahme von Geburten schwächte das weibliche Geschlecht in mehrfacher Hinsicht. Zum einen wirkt sich eine hohe Geburtenzahl auf den gesamten Körper einer Frau aus: auf die Knochen, die Gelenke, die Bänder und auf den Hormonhaushalt. Das verschaffte den Frauen einen Nachteil in der Gesundheit. Schlimmer noch: Mehr Geburten bedeuteten zur damaligen Zeit eine viel höhere Sterberate bei den Frauen. Das verringerte ihren Einfluss in der Gesellschaft nochmals. Zum anderen waren die Frauen somit auch auf die Mutterrolle fokussiert: Geburt, Erziehung sowie Haus- und Feldarbeit wurden zur „Frauensache“.
Bestimmte Unterschiede in Körper und auch in der Sexualität von Mann und Frau können wir aber schon sehr viel früher finden – nämlich bereits vor 1,5 Milliarden Jahren. Denn da begann die zweigeschlechtliche Fortpflanzung der Säugetiere. Schon unsere männlichen Vorfahren konnten mit beliebig vielen Weibchen Nachkommen zeugen, solange sie sich als Alphatier ihre Zuneigung sicherten. Den Weibchen war durch Schwangerschaft und Stillzeit solch eine schnelle Fortpflanzung verwehrt. Die Männchen waren also schon damals in gewisser Weise in ihrer Sexualität den Weibchen überlegen. Diesen biologischen Vorteile wurden dann in der Bronzezeit und in der Antike (etwa 800 v. Chr. bis 600 n. Chr.) von Männer, besonders von Ehemännern gnadenlos ausgespielt, um sich Frauen sexuell verfügbar zu machen und Konkurrenten fernzuhalten.
Doch neben der sexuellen Abhängigkeit und der Fixierung auf Mutterrolle, Haus und Hof, gab es weitaus mehr Nachteile für Frauen seit der Bronzezeit.
Schau dir gern dazu unseren Impulsvortrag "Frauen führen anders – Männer auch" an!
Das starke Geschlecht – der gestählte Krieger, der Händler, der Handwerker und das Familienoberhaupt
Weil die Menschen während der Bronzezeit sesshaft geworden waren, konnten sie auch viel mehr Besitz anhäufen, in Form von Geld, Land, Gehöften, Vieh u.v.m. Und wo Besitz ist, da gibt es Reichtum auf der einen Seite und Armut, Neid sowie Habgier auf der anderen Seite. Das führte öfter zum Krieg und Beutezügen, womit die Männer nun viel mehr als Krieger gefragt waren. Einen körperlichen Vorteil hatten sie ja schon, denn sie waren nicht durch viele Geburten geschwächt oder gar umgekommen und somit den Frauen auch zahlenmäßig überlegen. Diese Vorteile spielten die Männer weiter aus. Wie bereits erwähnt war durch Ackerbau und Viehzucht eine planmäßigere und genauere Verteilung der Nahrungsressourcen möglich. Frauen bekamen folglich eher Gemüse und Getreide zugeteilt. Die tierischen Proteine, die einen Großteil des Knochen- und Muskelwachstums beeinflussen, waren den Männern vorbehalten. Sie sollten als Krieger für körperliche Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Ausdauer sorgen. Es ging sogar so weit, dass Männer und Frauen nicht mehr gemeinsam aßen – Frauen wurden buchstäblich in die zweite Reihe verbannt. Das alles führte zu einer höheren Bewertung des Mannes und seiner körperlichen Kraft – das „starke Geschlecht“ und die Dominanz der Männer waren geboren.
Um Besitz zu verteilen und zu verteidigen, wurden Gebiete aufgeteilt – erste Städte, Gemeinden und Staaten entstanden. Da brauchte es Oberhäupter, die diese Gebiete kontrollierten. Das war ebenfalls den Männern vorbehalten. Durch die Gebietsaufteilung wurde der Handel immer wichtiger und Beruf des Händlers wurde ebenfalls zu Männerberufen, denn die Frauen mussten sich ja um Haus, Hof und die Kinder kümmern. Ganz nebenbei wurden auch die Besitztümer den Männern jetzt viel mehr zugeteilt als den Frauen. Auch andere Berufe wurden durch die Sesshaftigkeit bedeutender, zum Beispiel Bauern, Händler, Handwerker und Bauarbeiter. Und wer war dafür nun besser geeignet? Natürlich – die kräftigen, gut genährten Kerle. All diese neuen Branchen genossen einen wesentlich höheren sozialen Status als die Rolle der Mutter oder der Haushälterin. Denn vor allem Händler, Bauern und Handwerker sicherten den Lebensunterhalt einer Familie.
Ein neues Heiratssystem schwächte das weibliche Geschlecht zusätzlich.
Die Heirat wurde hauptsächlich durch den Mann bestimmt: Starke Gene und Besitztümer sollten ja schließlich weitervererbt werden. Männer bekamen ein viel größeres Mitspracherecht bei der Partnerwahl. Und: Sie bestimmten über den Wohnort – das nennt sich wissenschaftlich Patrilokalität. Oft wurde ein junges Paar am Wohnort des Mannes ansässig, wo sie auch die Kinder zur Welt brachten. Frauen wurden häufig gegen einen sogenannten Brautpreis an fremde Männer verkauft. Sie mussten also oft von zuhause ausziehen – im wörtlichen Sinne „weit weg“ – um bei ihrem Mann zu leben. Das schwächte sie körperlich, emotional und im Ansehen. Denn als Zugezogene am Wohnort des Ehegatten waren sie neu, unbekannt und oft deutlich unbeliebter als die Einheimischen. Status und Anerkennung mussten sie sich mühsam erarbeiten. Auch das Familienerbe wurde eher den Söhnen zuteil, während die Töchter ziemlich leer ausgingen.
Religion – schriftlich vorgeschriebenes Patriarchat?
Mit der Entwicklung des Christen- und Judentums wurde das Patriarchat mehr und mehr zementiert, auch im späteren Islam (ab dem 7. Jahrhundert n. Chr.) und im Hinduismus (ab ca. 1750 v. Chr.). Denn diese Religionen regelten in ihren heiligen Schriften Themen wie Fortpflanzung, Heirat und Besitz. Und dass unter diesen Besitz auch die Frauen fielen, verrät das 10. Gebot des Alten Testamentes (der jüdischen und christlichen Bibel): „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.“ Die Frau war also Eigentum des Mannes. Im hinduistisch geprägten Indien wird sie oft heute noch so gesehen. Dort soll die „ideale Frau“ ihrem Mann dienen und ihm möglichst viele Söhne gebären.
Im Koran und besonders in den daraus überlieferten Hadithen sowie auch schon im alten Christen- und Judentum wurde gefordert, Ehebrecherinnen zu steinigen, genau wie Mädchen und Frauen, die unehelichen Sex hatten. Männer hatten, wenn überhaupt, weitaus weniger Strafe zu befürchten. Selbst wer eine Frau vergewaltigte, musste oft nur eine Strafe an ihren Vater zahlen. Das Opfer musste ihren Peiniger dagegen heiraten. Das bedeutete für die betroffene Frau natürlich eine unvorstellbare Qual und eine nicht endende Angst. Denn in der Ehe war Vergewaltigung nicht strafbar. Das gilt in streng islamischen Ländern, in denen die Scharia vorherrscht, leider noch bis heute. Aber auch wir dürfen uns nicht allzu sehr rühmen: In Deutschland ist Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 per Gesetz strafbar. Davor war ein Vergewaltiger per Definition nur, wer sein Opfer zu außerehelichem Sex zwingt.
Auch Religionen haben also über eine lange Zeit hinweg Frauen in ihrem Status und in ihren Persönlichkeitsrechten stark eingeengt und den Männern untergeordnet. Dort, wo Religion streng ausgelegt wird oder sogar Staatsdoktrin ist, werden Frauen leider bis zum heutigen Tag unterdrückt.
Neues Menschenbild durch die Aufklärung
Die Epoche der Aufklärung prägte Europa etwa zwischen 1715 und 1800. Bis dahin regierte die Ständegesellschaft. Sie definierte von Geburt an, welche Chancen auf Bildung, Besitz und Macht ein Mensch Zeit seines Lebens haben wird. Ein Aufstieg durch eigene Leistung war kaum bis gar nicht möglich. Diese „von Gott gegebene“ Hierarchie bröckelte allmählich. Denn mit der Aufklärung und der Vernunft als höchste Tugenden verbreitete sich ein revolutionärer Geist in der Gesellschaft: „Alle Menschen sind von Geburt an frei und gleich.“, lautete die Parole. Daraus schlossen Schriftstellerinnen wie Mary Astell oder Olymp de Gouges völlig logisch, dass dann auch Frauen gleichberechtigt seien. Zwangsverheiratung und Unterordnung der Frau wurden immer mehr hinterfragt und abgelehnt. Die Frau sollte gleichermaßen Bürgerin sein.
Auch das 19. Jahrhundert war sehr von Revolutionen geprägt – Stichwort Völkerschlacht (1813), Wartburgfest (1817), Hambacher Fest (1832) oder auch die Deutsche Revolution von 1848/49. Doch die Frauenbewegung konnte ihren Erfolgskurs nicht wirklich fortsetzen. Denn in der Romantik (etwa von 1795 bis 1848) wurde eher die Schönheit und Natürlichkeit der Frau verklärt. Sie wurde als naiv gesehen, weniger vernunftbegabt und selbstständig als der Mann. Das machte sie dem Mann unterlegen oder sogar untertan. Die Romantik fand ziemlich genau mit der Deutschen Revolution von 1848/49 ihr Ende. Und noch immer waren in der verfassungsgebenden Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche keine Frauen vertreten.
Etwas Gutes: In dieser Zeit gründeten sich die ersten Frauenbewegungen. Sie erhielten Unterstützung zum Beispiel von Heinrich Heine, der es als ungerecht empfand, dass Frauen durch die Männer „von allen Ämtern und Würden ausgeschlossen“ waren. Ausgesprochener Patriarch war dagegen Arthur Schopenhauer, der 1851 sagte: Frauen seien "eine Art Mittelstufe zwischen dem Kinde und dem Manne, als welcher der eigentliche Mensch ist."
In Europa waren vor allem die katholische Kirche und der Vatikan maßgeblich mitverantwortlich, dass es mit der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert noch nicht wirklich vorwärts ging.
Industrialisierung – Segen aber auch Fluch für die Stellung der Frau
Während der Zeit der Industrialisierung (begonnen etwa 1760 in England) gab es auch große Fortschritte in der Hygiene und der Medizin. Das senkte die Kindersterblichkeit. Allgemein ging damit die Geburtenrate zurück. Das eröffnete Frauen die Freiheit, andere Dinge zu tun, als sich um Kinder und Haushalt zu kümmern – zum Beispiel einer Arbeit nachgehen. Mit der industriellen Revolution wurden Frauen als Arbeitskräfte gebraucht, besonders in der Textilbranche. Zwar sicherten sie sich so einen sozialen Status außerhalb der Familie, aber oft wurden sie als Hilfskräfte eingesetzt und waren im Sinne des Patriarchats noch immer weniger angesehen als die Männer, die auch die Betriebe besaßen und dominierten. Eine neue Stufe war erreicht: die kräftemäßige und nun auch finanzielle Ausbeutung der Frau.
Auf eine wirkliche Emanzipation und Gleichberechtigung mussten die Frauen noch bis ins 20. Jahrhundert warten – dazu mehr in Teil 3: Wandelzeiten der Werte und Rollen in der Arbeitswelt der Zukunft.
Autor: Maximilian Rose
Verwendete Quellen:
Mächtige Männer - Ohnmächtige Frauen I Terra X.
URL: hhttps://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/maechtige-maenner-ohnmaechtige-frauen-102.html, letzter Zugriff: 18.02.2021
Mächtige Männer? - Fünf Irrtümer in der Archäologie I Terra X.
URL: https://www.shh.mpg.de/111532/bronze_age_x_south_germany, letzter Zugriff: 19.02.2021
Bildnachweis: Garyuk31 @ pixabay (Titelbild); Felix Mittermeier @ pixabay