Blog
Was bringt es, mich mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen zu beschäftigen?
Was machst du, wenn dir eine Sportart gefällt? Du informierst dich, suchst dir einen Verein oder eine*n Trainer*in und fängst an zu trainieren. Unter fachlicher Anleitung machst du schnell Fortschritte, und in der Geneinschaft macht es meistens auch mehr Spaß. Genauso ist das auch mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen. Untrainiert dümpeln sie einfach vor sich hin ...
Vielleicht kennst du das: Unsere Standardantwort auf die Frage "Wie geht es dir?" ist meistens "Gut!".
Aber wie gut genau? Welche Gefühle gibt es noch, die wir mit "gut" bezeichnen, die sich beim genaueren Hinspüren aber als freudig, belustigt, erfrischt oder dergleichen entpuppen?
Um diese Gefühle genauer erkennen und beschreiben zu können braucht es Training!
Wusstest du, dass unser Körper in der Lage ist, über 140 (!!!) verschiedene Gefühle zu fühlen?
Das kann ich mir manchmal selbst gar nicht vorstellen. Wie viele Gefühle kannst du in deinem Körper fühlen? Erlaube dir, dies einmal zu erforschen. Bei mir waren es am Anfang unter 10 ...
Aber wozu brauche ich überhaupt ein Bewusstsein für meine Gefühle?
Gefühle sind der Schlüssel für meine Bedürfnisse – also für das, was mir wirklich wichtig im Leben ist und was ich wirklich brauche.
Beim Bedürfnis nach Hunger ist die Antwort zum Beispiel ganz einfach und bei (fast) jede*r*m von uns automatisiert: Der Bauch knurrt und fühlt sich leer an (=Gefühl), also haben wir Hunger (=Bedürfnis). Der Hals ist ausgedörrt, wir haben Durst.
Schwieriger wird es bei einer inneren Unruhe. Ähnlich wie beim Hunger gibt es ganz viele Stufen von unruhig sein. Ein leichtes Flimmern in der Magengegend; ein schnellerer Herzschlag, ein Trommeln in der Brust, ein Kribbeln im ganzen Körper, ein Zucken in den Beinen, der starke Drang sich zu bewegen. Das Verlangen schnell zu rennen, bis hin zur Panik. Jede Nuance will gesehen oder wahrgenommen werden, denn jede Nuance verrät mir, was gerade gut für mich ist und was ich brauche.
Und weißt du, was das Gute an einem Bedürfnis ist? – Es ist abstrakt! Das heißt, es ist so allgemein, dass es keine Missverständnisse und keinen Streit darüber geben kann. Spüre ich eine Unruhe, brauche ich Ruhe. Habe ich Hunger, brauche ich Nahrung.
Habe ich mein Bedürfnis gefunden, zum Beispiel meinen Wunsch nach Ruhe, kann ich mir Gedanken darüber machen, wie ich mir diesen erfülle.
Doch wie finde ich meine Bedürfnisse? Natürlich kann ich mich zu allererst einmal fragen, was ich gerade wirklich brauche. Am leichtesten geht es aber mit der Gegenteilmethode: Bin ich unruhig, brauche ich Ruhe. Spüre ich Druck, brauche ich Entspannung.
Bedürfnisse sind also allgemein und abstrakt. Die Wege, wie wir uns unsere Bedürfnisse erfüllen, sind dagegen sehr individuell und speziell. Darüber kann man sich streiten. Wenn ich zum Beispiel sage: "Ich brauche Ruhe. Kannst du bitte raus gehen?" (Meine leichteste Strategie ;-) ) ist das natürlich okay, aber wie kann ich mir mein Bedürfnis nach Ruhe noch erfüllen, wenn die Antwort auf meine Bitte "Nö!" lautet?
In der GFK spricht man dabei von Strategien zur Bedürfniserfüllung.
Es gibt unendlich viele Wege, damit ein Bedürfnis erfüllt wird. Bleiben wir beim Bedürfnis nach Ruhe.
Ich bin in einer Situation, aus der ich nicht aussteigen kann (z.B. in einem Meeting). Was kann nich tun? Ich kann kurz durchatmen, kann meine Füße spüren und mir vorstellen, ich stehe an einem ruhigen Bergsee... Ich kann kurz auf die Toilette gehen, um mich zu sammeln, oder ich kann die Kolleg*innen bitten, dass ich das Thema mitnehmen möchte, um mir in Ruhe mir eine Lösung zu überlegen und mich später mit konkreten Vorschlägen zu melden.
Wie kannst du nun bewusst mit deinen Gefühlen und Bedürfnissen arbeiten? Du kannst als erstes deine Wahrnehmung trainieren.
Erlaube dir, dein: „Es geht mir gut“ körperlich zu erforschen. Wo genau spürst du es, wenn du jemandem sagst, dass es dir gut geht?
Du kannst auch umgekehrt mit der unten aufgeführten Gefühlsliste wie mit „Vokabeln“ trainieren: Nimm dir ein Gefühl und spüre nach, wo du dieses in deinem Körper wahrnimmst. Das macht Spaß und ist wie eine Entdeckungsreise.
Leichter geht es unter Anleitung: Die Gewaltfreie Kommunikation, kurz GFK, hat dafür ein Trainingsformat entwickelt – die GFK Übungsgruppe. Hier lernst du ganz nebenbei und unter guter Anleitung, wie du dich und deine Bedürfnisse differenziert betrachtest und damit arbeiten kannst. Und genau wie im Sport macht das mit anderen gleich viel mehr Spaß.
Mir persönlich hat das jedenfalls richtig geholfen. Ein anderes Beispiel: Yoga allein vorm Fernseher geht gut, aber 1 x in der Woche genieße ich es, in einer Gruppe zu trainieren. Und ich sehe, dass die, die regelmäßig trainieren, schneller Fortschritte machen.
Also probier es doch mal aus! GFK Übungsgruppen gibt es in fast jeder Stadt. Oder du kommst in meine Online-Übungsgruppe. Hier findest du die Termine und kannst dich auch gleich für eine anmelden. Du brauchst dafür keine Vorkenntnisse.
Viel Spaß beim Erspüren deiner Gefühle und beim Erforschen deiner Bedürfnisse!
Volker
Gefühle
Traurigkeit, Freude, Wut, Angst. Diese sind für mich die großen Kapitel im Buch der Gefühle.
Schaue ich genauer hin, entdecke ich ganz viele weitere Gefühle:
Traurigkeit:
- einsam
- hoffnungslos
- leer
- enttäuscht
- frustriert
- deprimiert
- gleichgültig
- bedrückt
- unzufrieden
- traurig
Freude
- Ekstase
- leicht
- freudig
- glücklich
- ruhig
- entspannt
- ausgeglichen
- zufrieden
- dankbar
- berührt
- liebend
- verliebt
- begeistert
Angst
- erregt
- panisch
- aufgeregt
- unsicher
- nervös
- gestrest
- besorgt
- schockiert
- ohnmächtig
- unruhig
- scheu
- verwirrt
- neidisch
- Scham
Wut
- gereizt
- genervt
- ärgerlich
- empört
- zornig
- fassungslos
- widerwilllig
- hasserfüllt
- Ekel
- brennender Schmerz
Bedürfnisse
- Liebe
- Schutz
- Souveränität
- Ruhe
- Kreativität
- Freude
- Leichtigkeit
- Bewegung
- Geborgenheit
- Sicherheit
- Stabilität
- Zuverlässigkeit
- Harmonie
- Erholung
- Entwicklungsmöglichkeit
- Beitragen
- Unterstützung
- Abgrenzung
- Luft
- Wasser
- Nahrung
- Berührung
- Struktur
- Anerkennung
- Verständnis
- Sinnhaftigkeit
- Selbstachtung
- Echtheit
- Freiheit
- Autonomie
- Wärme
- Sexualität
- Sinnlichkeit
- Nähe
- Geborgenheit
- Leidenschaft
- Rücksichtnahme
- Humor
- Lernen
- Phantasie
- Spiel
Bilder: Titelbild Foto von Andrea Piacquadio von Pexels, Bergsee Foto von James Wheeler von Pexels